10. Relativpronomen


Relativpronomen leiten Relativsätze ein und Relativsätze haben im Grunde die gleiche Funktion wie Adjektive, sie bestimmen ein Substantiv oder einen Sachzusammenhang näher. Da es sich aber um komplexere Strukturen handelt, der Hörer / Leser also zuerst mal wissen muss, auf was sich die unter Umständen komplexe Beschreibung des Substantivs überhaupt bezieht, stehen sie fast immer nach dem Substantiv, auf das sie sich beziehen. Adjektive stehen in manchen Sprachen vor dem Substantiv, in anderen Sprachen danach und in manchen Sprache, wie z.B. im Portugiesischen, können sie manchmal sowohl vor wie nach dem Substantiv stehen.

Bei dieser Konstruktion steigt das Gehirn aus.
unverständlich: Die auf dem Tisch steht, die Vase, habe ich gestern gekauft.
verständlich: Die Vase, die auf dem Tisch steht, habe ich gestern gekauft.
Mit simplen Adjektiven verkraftet das Gehirn das.
Die rote Vase steht auf dem Tisch.


Das war die philosophische Vorbemerkung. Manche Leute beschäftigt die Frage, ob die Art, wie das menschliche Gehirn die außersprachliche Wirklichkeit verbal beschreibt, angeboren ist oder nicht und vermutlich hat Noam Chomsky recht. Das ist, so verrückt das klingt, wahrscheinlich angeboren. Vielleicht sind aber auch die Möglichkeiten, die Welt effizient verbal darzustellen beschränkt, so dass sich alle Sprachen letztlich ähneln. Wir fahren nun fort mit dem eher pragmatischen Teil. Philosphische Exkurse erfreuen sich ja nur geringer Beliebtheit. Ein bisschen theoretischer Hintegrund erleichtert die Darstellung der Relativpronomen im Portugiesischen.

Relativsätze werden über ein Relativpronomen mit dem Hauptsatz, bzw. mit einem Element des Hauptsatzes, verbunden. Das Relativpronomen legt fest, welcher Sinnzusammenhang bzw. welches Substantiv durch den Relativsatz näher erläutert wird. Hinsichtlich Genus und Numerus richtet sich das Relativpronomen nach dem Substantiv, auf welches es sich bezieht, bezüglich des Falles, nach der Funktion innerhalb des Relativsatzes.

...denen => Dativ im Relativsatz (Wem leiht die EZB Geld?)
Die Banken, denen die EZB Geld leiht, können nicht Pleite gehen.
...die => Nominativ im Relativsatz (Wer bekommt Geld?)
Die Banken, die Geld von der EZB zu einem Zinssatz von Null bekommen, können nicht pleite gehen.
...deren => Genitiv im Relativsatz (Wessen Kreditvolument beruht auf Giralgeld?)
Die Banken, deren Kreditvolumen auf Giralgeld beruht, können nicht pleite gehen.
...die => Akkusativ im Relativsatz (Wen muss der Steuerzahler retten?)
Die Banken, die der Steuerzahler von Zeit zu Zeit dennoch retten muss, können nicht pleite gehen.


Das Bezugsobjekt ist immer das Gleiche, die Banken, die Funktion dieser Banken, die vertreten werden durch die Relativponomen, denen, die, deren, die, sind aber unterschiedlich. Das Relativpronomen stimmt also hinsichtliche Genus, in diesem Fall femininum und Numerus, in diesem Fall Plural, mit dem Bezugsobjekt überein. Hinsichtlich der Funktion allerdings ist das Relativpronomen durch seine Funktion innerhalb des Relativsatzes determiniert. Im Hauptsatz, "Die Banken können nicht pleite gehen", sind die Banken immer Nominativ.

Ein Relativpronomen kann sich aber nicht nur auf ein Substantiv beziehen. Es kann gleichermaßen einen Sinnzusammenhang, ein Indefinita (irgendwer, nichts, alles etc.), ein Pronomen referieren. Wir werden gleich sehen, dass in Abhängigkeit von dem, was referenziert wird, unterschiedliche Relativpronomen verwendet werden.

Referenzierung eines gesamten Sinnzusammenhanges
Er hatte den Bericht nicht mal gelesen, was eine Diskussion darüber unmöglich machte.
Referenzierung eines Indefinita
Er weiß nichts, was irgendwie von Interesse sein könnte.
Referenzierung eines Pronomens
Er, der ständig lügt, bezichtigt andere der Lüge.


Innerhalb der Relativpronomen gibt es konkurrierende Systeme. Im Deutschen z.B. konkurrieren die Relativpronomen der, die, das mit welcher, welche, welches. Solche konkurrierenden Systeme gibt es auch im Portugiesischen.

Die Äpfel, welche nicht weit genug entfernt vom Stamm fallen, können sich nicht zu einem Baum entwickeln.
Die Äpfel, die nicht weit genug entfernt vom Stamm fallen, können sich nicht zu einem Baum entwickeln.


Oben wurde gesagt, dass das Relativpronomen sich in Genus und Numerus nach dem referenzierten Substantiv richtet, der Fall aber durch seine Funktion innerhalb des Relativsatzes determiniert ist. Das stimmt natürlich nicht bei adverbialen Bestimmungen und in diesem Fall handelt es sich auch nicht um ein Relativpronomen, sondern um ein Relativadverb. Das Relativadverb referenziert kein Substantiv, sondern eine adverbiale Bestimmung. Genus und Numerus des Referenzierten spielt schlicht keine Rolle und das Relativpronomen ist in diesem Fall auch weder Subjekt noch irgendein Objekt des Relativsatzes.

Das Haus, wo es sich gut leben lässt.
Die Wohnung, wo es sich gut leben lässt.
Der Palast, wo es sich gut leben lässt.
Die Häuser, wo es sich gut leben lässt.
Die Wohnungen, wo es sich gut leben lässt.
Die Päläste, wo es sich gut leben lässt.


Zum Relativadverb schreibt der Duden:"Adverb, das den Gliedsatz, den es einleitet, auf das Substantiv (Pronomen) oder Adverb des übergeordneten Satzes bezieht; bezügliches Umstandswort (z. B. wo)." Relativadverb.

Vordergründig stimmt das. Das Relativadverb wo bezieht sich auf die Substantive Wohnung, Palast, Häuser. Denkt man darüber nach, stimmt es nicht mehr, denn das, was referenziert wird, ist lediglich eine Komponente eines komplexen Ganzen. Wo hat hier die Bedeutung von "in der", "in dem" etc..

Es lässt sich gut leben in dem Haus.
Es lässt sich gut leben in dieser Wohnung.
Es lässt sich gut leben in diesem Palast.

Das Relativadverb bezieht sich nicht auf ein Substantif. Es macht das Substantiv im Relativsatz zum Bestandteil einer adverbialen Bestimmung. Auf ein Adverb bezieht es sich nie. In dem Satz, "Der Ort, wo der Unfall passiert ist, ist hier ganz in der Nähe", bezieht sich wo nicht auf ein Adverb, denn im Hauptsatz ist der Ort Subjet.


Wo steht für die Verbindung in + Pronomen.

Das Haus, in dem es sich gut leben lässt.
Die Wohnung, in der es sich gut leben lässt.
Der Palast, in dem es sich gut leben lässt.


Relativadverbien sind also adverbiale Bestimmungen, die durch ein Substantiv oder Sinnzusammenhang des Hauptsatze präzisiert werden, wobei bei den meisten Relativadverbien die Präposition mitgeliefert wird.

Das ist die Axt, womit er die Tür eingeschlagen hat.
Er hat ihn nicht gefragt, worüber er sich sehr wunderte.
Ein Felsblock ist auf die Straße gestürzt, wodurch diese unpassierbar wurde.


Das Relativpronomen ist Subjekt oder direktes / indirektes Objekt des Relativsatzes. Das sind Funktionen, die im Deutschen durch Pronomen ausgedrückt werden können, ohne dass es hierfür, im Gegensatz zum Portugiesischen, einer Präposition bedarf. Für komplexere adverbiale Bestimmungen bedarf es dann aber einer Präposition. In Relativadverbien wie worüber, womit, wodurch hat wo lediglich eine Platzhalterfunktion. Erstaunlich ist, dass sich bei den Relativadverbien worüber, womit, wohin, wodurch, woher das wo Platzhalter für jedes x-beliebige Substantiv und Sinnzusammenhänge sein kann, denn normalerweise kann wo nur Orte und Zeiträume referenzieren und im Portugiesischen nur Orte.



Das wo in worüber, womit, wodurch ist Platzhalter für jedes x-beliebige Substantiv
Das Geld, womit er die Rechnung bezahlt hat.
Das Ereignis, worüber er sich wunderte.


Im Deutschen wird zwischen restriktiven und erweiterten Relativsätzen nicht unterscheiden. Man könnte dies zwar tun, wird aber nicht gemacht, weil sich hinsichtlich Interpunktion und möglichen Relativpronomen ein restriktiver Relativsatz nicht von einem erweiterten Relativsatz unterscheidet. Das ist im Portugiesischen anders. Restriktive Relativsätze werden vom Hauptsatz NICHT durch Komma getrennt. Allein erweiterte Relativsätze stehen zwischen zwei Kommas. Restriktive Relativsätze gibt es aber sehr viel mehr als erweiterte Relativsätze, so dass im Portugiesischen in der Regel ein Relativsatz NICHT durch Komma abgetrennt ist. Jetzt müssen wir nur noch klären, was restriktive und erweiterte Relativsätze sind und dann ist alles chic. Betrachten wir einmal diesen Satz, wo ein großes Wort gelassen ausgesprochen wird.

1) Beamte, die unfähig sind, gehören entlassen.

Was jetzt passiert ist psychologisch interessant. Der Leser dieser Zeilen hat sicher ein tiefes Vertrauen in die staatlichen Organe und geht davon aus, dass dort alles mit rechten Dingen zugeht. Er ist ein rechtschaffener, guter Bürger und sein Vorverständnis der Wirklichkeit prägt seine Interpretation dieses Satzes. Darüber freut sich der Autor. Der Leser interpretiert diesen Satz also so.

2) Nur die Beamten, die unfähig sind, gehören entlassen.

Er interpretiert diesen Satz also so, dass NUR die Beamten zu entlassen sind, die unfähig sind, die anderen jedoch, die lediglich etwas langsam sind, aber dennoch treu zu ihrem Dienstherrn stehen, sollten weiterhin alimentiert werden, denn wie in der Wirtschaft, ja, so ist das, ist Treue entscheidend, nicht Leistungsfähigkeit.

Der Leser ist jetzt natürlich entrüstet, aber der Autor hat etwas anderes gemeint. Gemeint hat er das. Der Relativsatz war als erweiterter Relativsatz gemeint.

3) Alle Beamte, die grundsätzlich unfähig sind, gehören entlassen.

Der Leser hat den eingeschobenen Relativsatz, ...die unfähig sind..., also als restriktiven Relativsatz verstanden. Ein restriktiver Relativsatz kann nicht weggelassen werden, ohne dass der Sinn völlig verändert wird. Lässt man ihn nämlich weg, bleibt das übrig.

4) Beamte gehören entlassen.

Würden wir also im Portugiesischen kein Komma setzen, hätten wir das.

restriktiver RelativsatzBeamte die unfähig sind gehören entlassen. => Unfähigkeit ist keine charakteristische Eigenschaft von Beamten. Nur die Beamten,die unfähig sind, gehören entlassen.
erweiterter RelativsatzBeamte, die unfähig sind, gehören entlassen. => Unfähigkeit ist eine charakteristische Eigenschaft von Beamten, der Relativsatz bringt keine weitere Information, folglich gehören alle entlassen.


Erweiterte Relativsätze tauchen deswegen so selten auf, die Kommasetzung vor Relativsätzen ist folglich im Portugiesischen selten, weil die Informationen, die sie liefern, überflüssig sind. Eigentlich kann ein erweiterter Relativsatz nur auftreten, wenn das referierte Element bereits ausreichend bestimmt ist und der Relativsatz lediglich eine Zusatzinformation liefert. Geht jemand, wie der Autor, davon aus, dass allein der objektive Kontrollmechanismus durch den Markt die tatsächlich notwendigen Erstellungskosten einer Dienstleistung oder eines Produktes offenbart, dann geht er davon aus, dass Ineffizienz ein inhärentes Merkmal von Bürokratien ist. Unter diesem Blickwinkel sind Beamte prinzipiell unfähig, die Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit erreicht kein Niveau, das mit einer Leistungserbringung unter marktwirtschaftlichen Bedingungen vergleichbar ist.

andere Beispiele für erweiterte Relativsätze
Alkoholiker, die zuviel trinken, sterben früher.
ohne Relativsatz: Alkoholiker sterben früher.
Alkoholiker bechern zu viel. Der Relativsatz liefert eine zusätzliche Information, man kann ihn aber auch weglassen, die Aussage bleibt dieselbe.
Joaquim Maria Machado de Assis, der den Roman Dom Casmurro geschrieben hat, ist 1908 gestorben.
ohne Relativsatz: Joaquim Maria Machado de Assis ist 1908 gestorben.
Der Relativsatz liefert eine zusätzliche Information, der Sinn des Satzes wird aber nicht verändert, wenn man den Relativsatz weglässt.
Beispiel für restriktive Relativsätze
Äpfel, die gentechnisch verändert wurden, dürfen in Deutschland nicht in den Handel kommen.
ohne Relativsatz: Äpfel dürfen in Deutschland nicht in den Handel kommen.
Der Relativsatz liefert eine ganz entscheidende Information, verdeutlicht, dass nur ein Teil der Äpfel gemeint ist. Der Sinn wird total verändert, wenn man den Relativsatz weglässt.






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Damit haben wir dann alle Aspekte beisammen, die in der folgenden Darstellung der Relativpronomen und Relativadverbien im Portugiesischen eine Rolle spielen beisammen und können somit zur Tat schreiten.