11.3. pretérito mais-que-perfeito composto


Der pretérito mais-que-perfeito composto ist in allen Sprachen die schönste Zeit überhaupt, denn er ist einfach zu verstehen und in allen Sprachen gleich, sowohl was die Bildung angeht, wie auch den Kontext, in dem er benutzt wird. Gebildet wird er mit dem imperfeito des Verbes ter als Hilfsverb, seltener haver, und mit dem Partizip Perfekt. Die Bildung funktioniert also nach dem gleichen Schema wie im Deutschen, Spanischen, Französischen, Englischen etc. etc.. Das einzige Problem ist, dass der imperfeito von ter unregelmäßig ist. Eine Unterscheidung zwischen transitiven Verben, "Ich hatte gesehen", die mit haben konjugiert werden und intransitiven Verben, "Ich war gegangen", die mit sein konjugiert werden, gibt es im Portugiesischen nicht. Alle zusammengesetzten Zeiten werden gebildet mit einer Form von ter und dem Partizip Perfekt. In der Literatur kann man auch haver als Hilfsverb finden. Passiv sollte man das also erkennen, weil es einem in Texten, vor allem der klassischen Literatur, begegnen kann. Aktiv beherrschen muss man es nicht.

Hilfsverb ter im imperfeitoPartizip Perfekt
eutinhahatte
comido gegessen
escrito geschrieben
podidogekonnt
estadogewesen
sidogewesen
dadogegeben
posto gelegt
tu tinhashattest
ele, ela
você
o senhor, a senhora
tinhahatte
nóstinhamoshatten
eles, elas
vocês
os senhores, as senhoras
tinhamhatten


Eu tinha comido.
Ich hatte gegessen.
Tu tinhas escrito.
Du hattest geschrieben.
Ele tinha dado.
Er hatte gegeben.
Nós tinhamos posto.
Wir hatten gelegt.


Der mais-que-perfeito simples, der exakt die gleichen Funktionen erfüllt wie der mais-que-perfeito composto begegnet einem in der Literatur. Man muss ihn also erkennen, verwenden allerdings muss man ihn nicht, denn er wird nicht mehr benutzt.

Der pretérito mais-que-perfeito simples wird gebildet, indem man von der dritten Person Plural des pretérito perfeito simples (falaram, venderam, partiram) die Endung -am entfernt und an das, was dann übrigbleibt, die entsprechende Endung des pretérito mais-que-perfeito simple anhängt. Die Zeit wird heute kaum noch benutzt und findet sich eigentlich nur in der Literatur. In den anderen romanischen Sprachen gab es eine solche Zeit nie. Wir übersetzen mit dem Plusquamperfekt, dem er, wie auch der pretérito mais-que-perfeito composto, hinsichtlich der Funktionalität vollständig entspricht. Die dritte Person Plural des pretérito mais-que-perfeito simple ist mit der dritten Person Plural des pretérito perfeito simples identisch.

falar => falaram => falar dizer =>disseram => dissersaber => souberam = souber
eu falaraIch hatte gemachtdisseraIch hatte gesagtsouberaIch hatte gewusst
tu falarasDu hattest gemachtdisserasDu hattest gesagtsouberasDu hattest gewusst
ele / elafalaraEr / Sie hatte gemachtdissseraEr / Sie hatte gesagtsouberaEr / Sie hatte gewusst
nósfaláramosWir hatten gemacht disserámosWir hatten gesagt souberámosWir hatten gewusst
eles / elasfalaram

Sie hatten gemachtdisseram

Sie hatten gesagtsouberam

Sie hatten gewusst


Quando o noivo apareceu, a noivachegara na igreja.
Als der Bräutigam erschien, die Braut schon war angekommen in der Kirche.
Als der Bräutigam erschien, war die Braut schon in der Kirche angekommen.


Die Aspekte, die der Plusquamperfekt zum Ausdruck bringt, sind sehr stabil im menschlichen Gehirn verankert, es gibt keine Schwankungen im Gebrauch, wie wir sie von den anderen Zeiten kennen. Man könnte also meinen, dass eine Zeit, deren Kontext derartig stabil ist, auch korrekt beschrieben wird. Dies ist allerdings, und das ist erstaunlich, nicht der Fall. Der Duden z.B. schreibt, dass der Plusquamperfekt eine "Zeitform" sei, "mit der besonders die Vorzeitigkeit (im Verhältnis zu etwas Vergangenem) ausgedrückt wird". Das ist natürlich kompletter Blödsinn, wenn damit gemeint ist, dass die Handlungen chronologisch in der Zeit aufeinander folgen. Die Tatsache allein, dass eine Handlung der Vergangenheit vorzeitig zu einer anderen Handlung der Vergangenheit war, erzwingt noch lange nicht das Plusquamperfekt.

Ich war einmal am Ganges,
ich war einmal am Nil,
da sah ich etwas Langes,
das war ein Krokodil

Der Berichterstatter war offensichtlich einmal in Indien und anschließend reiste er nach Ägypten. Dort angekommen sah er etwas, das er als Krokodil identifizierte. Es folgen also drei Handlungen aufeinander, die allerdings im schlichten Imperfekt geschildert werden. Es ist auch unklar, wie denn die zweifelfrei gegebene Vorzeitigkeit mit dem Plusquamperfekt ausgedrückt werden soll. Dann müsste sein Aufenthalt in Indien im Plusquamperfekt beschrieben werden, "Ich war in Indien gewesen", da aber sein Aufenthalt in Ägypten wiederum vorzeitig zu seinem Zusammentreffen mit dem Krokodil war, müsste das auch im Plusquamperfekt geschrieben werden. Je mehr Handlungen also aufeinander folgen, desto mehr Handlungen haben wir im Plusquamperfekt. Irgendwann stünde dann alles im Plusquamperfekt, so dass der Plusquamperfekt keine Vorzeitigkeit mehr ausdrücken kann, denn die Vorzeitigkeit zur Vorzeitigkeit zur Vorzeitigkeit etc.. drückt er nicht aus.

Wir werden gleich sehen, dass der Plusquamperfekt in der Praxis keine Probleme bereitet, er immer und mühelos richtig verwendet wird. Erstaunlich daran ist lediglich, dass die Leute, auch Leute die sich professionell mit solchen Problemen befassen, Probleme haben, ihn korrekt zu beschreiben. Der Duden in Buchform schreibt z.B. folgendes.

Das Plusquamperfekt unterscheidet sich vom Perfekt dadurch, daß es den Vollzug oder Abschluss eines Geschehens als gegebene Tatsache nicht für die Gegenwart oder für die Zukunft feststellt, sondern für einen Zeitpunkt der Vergangenheit.
Duden, Die Grammatik, 3.Auflage, Mannheim, 1995, Seite151


Ob eine Handlung in der Vergangenheit abgeschlossen ist oder nicht, ist allerdings völlig egal.

Er schrieb ihr einen Brief, sie las ihn, zeigte ihn ihrer besten Freundin und beide amüsierten sich köstlich.

Wir haben hier vier Handlungen, deren "Vollzug oder Abschluss als gegebene Tatsache nicht für die Gegenwart oder für die Zukunft, sondern für einen Zeitpunkt der Vergangenheit" eindeutig feststeht, aber weit und breit kein Plusquamperfekt und wir wüssten auch gar nicht, wie es eingesetzt werden soll, denn das Schreiben des Briefes ist vorzeitig zur Lektüre desselben, was wiederum vorzeitig zum herzlosen Verhalten dieser Frau war, was wiederum vorzeitig zu der Unfähigkeit dieser zwei Frauen war, die Poesie des Briefes hochzuschätzen. Man kann den ganzen Satz jetzt zwar ins Plusquamperfekt setzen, aber da es keine Vorzeitigkeit zur Vorzeitigkeit gibt, wäre das Ergebnis lediglich umständlich, wenn nicht sogar stilistisch verkorkst oder falsch, aber keinesfalls besser.

Was ist das Problem? Das Problem ist, dass sinnfreie Definitionen nicht zu den Aspekten vordringen, die sprachliche Systeme konstituieren und weder zu einem vertieften Verständnis der Muttersprache führen, noch eine Transferleistung beim Erwerb einer Fremdsprache ermöglichen. Das führt dann zu dem in den einführenden Bemerkungen zu Kapitel 9 beschriebenen Problemen.

Was erzwingt also tatsächlich das Plusquamperfekt? Das Plusquamperfekt muss stehen, wenn die Ereignisse entgegen der chronologischen Reihenfolge erzählt werden. Das Plusquamperfekt ist eine semantisch sehr starke Zeit, beschreibt also etwas Inhaltliches. Es kann die Chronologie wiederherstellen, wenn entgegen der Chronologie berichtet wird. [Zur Verdeutlichung der Tatsache, dass das Plusquamperfekt das Perfekt der Vergangenheit ist, ist in eckigen Klammern jeweils die Konstruktion in der Gegenwart angegeben, die aber für das Portugiesische eben nicht gilt, siehe 11.2.]

In den folgenden Beispielsätzen werden die Ereignisse entgegen der chronologischen Reihenfolge erzählt. Dies erzwingt den Plusquamperfekt.

Die Ereignisse werden nicht in der chronologischen Reihenfolge erzählt
1. Sie las den Brief, den er ihr schrieb, zeigte ihn ihrer Freundin und beide amüsierten sich köstlich.
2. Sie las den Brief, den er ihr geschrieben hatte, zeigte in ihrer Freundin und beide amüsierten sich köstlich.
[Sie liest den Brief, den er ihr geschrieben hat, zeigt in ihrer Freundin und beide amüsierten sich köstlich.]


1. Wäre wohl in allen Sprachen dieser Welt merkwürdig. 1) suggeriert eine Parallelität zwischen dem Schreiben des Briefes und der Lektüre desselben, die aber objektiv nicht gegeben sein kann. Denkbar wäre höchstens "Sie las die Briefe, die er ihr schrieb". In diesem Falle hätten wir eine Handlung, die sich in der Vergangenheit regelmäßig wiederholt. Haben wir aber nur einen Brief, dann würde sie den Brief lesen,während er ihn schreibt. In diesem Fall, braucht er aber keinen zu schreiben. Er kann ihr dann schlicht sagen, was er ihr schreiben will.

Das Imperfekt ist also semantisch relativ schwach. Wie es intuitiv verstanden wird, hängt vom Kontext ab. Suggeriert der Kontext eindeutig eine abgeschlossene Handlung, dann bekommt das Imperfekt den entsprechenden Wert zugewiesen. Suggeriert der Kontext parallel laufende Handlungen, dann hat das Imperfekt den entsprechenden Wert.

Das Imperfekt kann aber nicht die chronolgische Reihenfolge der Ereignisse revidieren. Bei 1) sperrt sich unser Vorverständnis der realen Welt dagegen, dass sie zuerste den Brief las, den er ihr anschließend schrieb. Wir fassen den Imperfekt also nicht so auf, dass er eine abgeschlossene Handlung in abgeschlossener Vergangenheit beschreibt. Das Pendel schlägt folglich in die andere Richtung, die einzige, die übrig bleibt. Wir fassen den Imperfekt so auf, dass er die Parallelität zwischen zwei Handlungen beschreibt. (Was zwar immer noch Unsinn ist, aber besser als die erste Variante.)

Das ist zwar theoretisch möglich, aber praktisch nicht besonders wahrscheinlich. Das Beispiel zeigt uns, dass die Verarbeitung sprachlichen Inputs durch das Gehirn ein äußerst komplexer Vorgang ist, der obendrein innerhalb von Millisekunden abgearbeitet wird. Aufgabe der Grammatik ist es, diese Prozesse bewusst zu machen. Der Muttersprachler muss erkennen, dass dieselben Aspekte, die in seiner Muttersprache bedeutsam sind, auch in der Fremdsprache eine Rolle spielen, andernfalls hat er den Eindruck, dass die Fremdsprache ganz anderen Regeln folgt, die stupide auswendig gelernt werden müssen. Grammatik hilft, das implizite Wissen des Muttersprachlers für den Erwerb einer Fremdsprache fruchtbar zu machen.

Das Plusquamperfekt allerdings ist semantisch stark. Er kann die Chronologie umkehren. Das Plusquamperfekt wird also verwendet, wenn die Ereignisse entgegen der chronologischen Reihenfolge geschildert werden. In 2) ist dem Deutsch Muttersprachler sofort klar, dass zuerst der Brief geschrieben wurde, der dann gelesen wird.

Beispiele auf Portugiesisch: Umgekehrte Chronologie

Quando eu cheguei, ele tinha telefonado.
Als ich ankam, er schon hatte telefoniert.
Als ich ankam, hatte er schon telefoniert.

O marido mentiu para a polícia, mas a mulher tinha dito a verdade.
Der Ehmann log bei der Polizei, aber die Frau hatte gesagt die Wahrheit.
Der Eheman belog die Polizei, aber die Frau hatte die Wahrheit gesagt.



Weiter ist eine Handlung, ein Ereignis, ein Vorgang im Plusquamperfekt zu schildern, wenn die Handlung, das Ereignis, der Vorgang Konsequenzen hat für eine Handlung, ein Ereignis, einen Vorgang der Vergangenheit. In diesem Fall ist das Plusquamperfekt das Perfekt der Vergangenheit, was allerdings für das Portugiesische NICHT gilt. Wie bereits ausführlich beschreiben, siehe 11.2, steht der Perfekt im Deutschen, Spanischen und Englischen, wenn das RESULTAT einer Handlung, eines Ereignisses, eines Vorganges Konsequenzen hat für die Gegenwart.

richtig: Ich habe das Buch nicht gelesen und kann folglich auch nichts dazu sagen.
falsch: Ich las das Buch nicht und kann folglich nichts dazu sagen.


Diese Logik gilt für das portugiesische mais-que-perfeito composto genauso wie für den deutschen, spanischen, englischen, französischen, italienischen Plusquamperfekt. Wir haben also die merkwürdige Situation, dass beim mais-que- perfeito composto das RESULTAT einer Handlung nun wieder eine Rolle spielt, beim pretérito perfeito composto dies aber nicht der Fall ist. Setzt man den Satz oben in die Vergangenheit, muss das Plusquamperfekt stehen. Die Chronologie der Ereignisse ist zwar richtig, zuerst liest er das Buch und dann redet er darüber, oder eben nicht, wie in diesem Fall, aber die Konsequenz der Handlung auf die folgende Handlung erzwingt den mais-que-perfeito composto.

Also nochmal: Die Vorzeitigkeit eines Ereignisses allein erzwingt das Plusquamperfekt bzw. den mais-que-perfeito composto nicht. Ist aber das ERGEBNIS einer Handlung der Vorvergangenheit für die Vergangenheit bedeutsam, dann muss das Plusquamperfekt stehen. (In Klammern derselbe Satz im Perfekt. Die Logik ist die gleiche wie beim Plusquamperfekt, mit dem Unterschied, dass das Resultat einer Handlung der Vergangenheit bedeutsam für die Gegenwart ist.)

Ein Ereignis der Verganheit, hat Konsequenzen für ein anderes Ereignis der Vergangenheit
1) richtig: Ich hatte das Buch nicht gelesen und konnte folglich nichts dazu sagen.
2) falsch: Ich las das Buch nicht und konnte folglich nichts dazu sagen.
[Ich habe das Buch nicht gelesen und kann folglich nichts dazu sagen.]


2) bedeutet zwar auch was, aber eben nicht das, was gemeint ist. Wenn sich eine bestimmte Gruppe immer wieder trifft und über ein Buch redet und einer das Buch nicht gelesen hat, dann kann derjenige eben auch nichts dazu sagen.

Das mais-que-perfeito composto steht also, wenn das Resultat eines Vorganges der Vergangenheit eine Auswirkung hat auf einen anderen Vorgang in der Vergangenheit. (Die Vorzeitigkeit allein, erzwingt das mais-que-perfeito nicht, siehe oben.)

Beispiele auf Portugiesisch
Tinha perdido a carteira e por isso ficava sem dinheiro.
Hatte verloren den Geldbeutel und wegen das blieb ohne Geld.
Ich hatte meinen Geldbeutel verloren, so dass ich kein Geld hatte.


Das Plusquamperfekt muss also stehen, wenn die Ereignisse entgegen der chronologischen Reihenfolge erzählt werden, oder wenn ein Ereignis der Vorvergangenheit bedeutsam ist. Drittens muss das Plusquamperfekt stehen, wenn die Tatsache, dass eine Handlung in der Vergangenheit vollendet wurde, ein wesentlicher Bestandteil der Aussage ist.

Die Vollendlung der Handlung ist zentraler Bestandteil der Aussage
1) richtig: Er hatte den Brief schon geschrieben, schickte ihn aber nicht ab.
2) falsch: Er schrieb den Brief schon, schickte ihn aber nicht ab.
[Er hat den Brief schon geschrieben, schickt ihn aber nicht ab.]


Beispiel auf Portugiesisch
Tinha feito o trabalho, mas tive que fazê-lo outra vez.
Hatte gemacht die Arbeit, aber musste machen sie nochmal.
Ich hatte die Arbeit schon gemacht, musste sie aber nochmal machen.






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