14. Die Zeitenfolge bei der indirekten Rede und bei mentaler Durchdringung


Unter Zeitenfolge, consecution temporum, versteht man die simple Tatsache, dass die Handlungen, Ereignisse, Vorgänge dieser Welt auf einer Zeitschiene ablaufen und die Chronologie der Ereignisse durch die entsprechende Verbform, Präsens, Imperfekt, Perfekt, Plusquamperfekt, etc. etc. wiederzugeben ist. Dass hier ein Problem steckt, fällt den meisten Leuten in der Regel zum ersten Mal auf, wenn sie sich mit der indirekten Rede beschäftigen, obwohl das Problem immer auftritt, wenn ein Vorgang imaginiert wird. Wir werden aber noch andere Zusammenhänge kennen lernen, siehe Kapitel 19, wo dieses Problem auftritt. Das prinzipielle Problem sollte man jetzt also sehen, andernfalls bleibt unklar, warum es überhaupt so viele Zeiten gibt.

Die indirekte Rede wird in in handelsüblichen Grammatiken als isoliertes Phänomen beschrieben, das bestimmte charakteristische Züge aufweist, z.B. finden wir in diesen Grammatiken dann beschrieben, dass die in der indirekten Rede beschriebenen Zusammenhänge im Konjunktiv stehen.

direkte Rede: Goethe sagte: "Über allen Wipfeln ist Ruh."
indirekte Rede: Goethe sagte, dass über allen Wipfeln Ruhe sei.


Weil wir keine Lust haben, das jetzt nochmal, siehe Kapitel 12, zu problematisieren, lassen wir die Aussage, dass die in der indirekten Rede beschriebenen Sachzusammenhänge im Konjunktiv geschildert werden, einfach so stehen. Die Aussage ist nicht falsch, aber man sich das Leben leichter, wenn man sieht, dass auch zahlreiche Verben der mentalen Durchdringung im Imperfekt den Konjunktiv nach sich ziehen.

Verb der mentalen Durchdringung zieht Indikativ nach sich
richtig: Er wusste, dass sie reich waren.
dubios: Er wusste, dass sie reich wären.
richtig: Er verstand, dass sie zögerte.
dubios: Er verstand, dass sie zögere.
Verb der mentalen Durchdringung / indirekte Rede zieht Konjunktiv nach sich
richtig: Er hoffte, dass sie reich seien.
dubios: Er hoffte, dass sie reich waren.
richtig: Er sagte, dass sie zögere.
dubios: Er sagte, dass sie zögerte.

Die Logik ist hier ähnlich wie in den romanischen Sprachen. Wird der Satz durch ein Verb eingeleitet, das die Aussage des Nebensatzes als gesichterte Tatsache darstellt, z.B. wissen und verstehen, dann steht der Indikativ. Wird der Satz durch ein Verb eingeleitet, dass das im Nebensatz geschilderte subjektiv bewertet, dann steht der Konjunktiv, wenn dieses Verb im Imperfekt steht. Zu Details siehe Kapitel 12. Die hier vorgestellte Sichtweise weicht von der Sichtweise handelsüblicher Darstellungen ab, denn diese sind nachweislich falsch.


Es gibt erhebliche Unterschiede im Detail zwischen dem Deutschen und den romanischen Sprachen, auf die wir hier nicht näher eingehen, aber der ganz prinzipielle Aufbau ist der gleiche. Es gibt Verben der mentalen Durchdringung, die den Konjunktiv nach sich ziehen und andere, die den Indikativ nach sich ziehen. (Im Deutschen trifft das allerdings nur zu, wenn das Verbe der mentalen Durchdringung in einer Vergangenheitszeit steht.)

In den romanischen Sprachen ist die indirekte Rede lediglich ein Spezialfall der Zeitenfolge im Allgemeinen. Egal ob jemand etwas imaginiert oder erzählt, in beiden Fällen ist zu klären ob sich das Imaginierte / Erzählte vor-, gleich- oder nachzeitig zum Erzählzeitpunkt bzw. zum Zeitpunkt der Imagination ereignet hat.

Machen wir uns die prinzipielle Logik an einem einfachen Beispiel klar. Wir nehmen als Beispiel ein Verb der mentalen Durchdringung, das den Indikativ nach sich zieht, weil das Deutsche hier logisch kohärenter ist. Das Prinzip ist aber im Konjunktiv genau das gleiche, vor allem eben im Portugiesischen, das zu den meisten Zeiten im Indikativ eine korrespondierende Zeit im conjuntivo hat.

Das Verb der mentalen Durchdringung steht im Präsens und verlangt den Indikativ.
Die imaginierte Handlung ist vorzeitig: Sie weiß, dass er gelogen hat.
Die imaginierte Handlung ist gleichzeitig: Sie weiß, dass er lügt.
Die imaginierte Handlung ist nachzeitig: Sie weiß, dass er lügen wird.


Die Tausend Dollar Frage ist nun, was passiert, wenn das Verb der mentalen Durchdringung in einer Vergangenheitszeit steht, also üblicherweise, im Deutschen, im Imperfekt. In diesem Falle rutschen alle Zeiten eins nach hinten.

Das Verb der mentalen Durchdringung steht im Imperfekt und verlangt den Indikativ.
Die imaginierte Handlung ist vorzeitig: Sie wusste, dass er gelogen hatte.
Die imaginierte Handlung ist gleichzeitig: Sie wusste, dass er log.
Die imaginierte Handlung ist nachzeitig: Sie wusste, dass er lügen würde.


Die Logik ist also ausgesprochen simpel. Rückt das Verb der mentalen Durchdringung in die Vergangenheit, dann muss die Zeit, in der die imaginierte Handlung beschrieben wird, ebenfalls eine Stufe nach hinten rücken. Aus einem Perfekt wird ein Plusquamperfekt, aus einem Präsens ein Imperfekt und aus einem Futur ein Konditional. So ist das im Portugiesischen durchgängig, egal ob das Verb den indicativo oder den conjuntivo verlangt. Der einzige Unterschied besteht darin, dass alle Zeiten im conjuntivo stehen, wenn das Verb den conjuntivo verlangt. (Im Deutschen haben wir dann unter Umständen einen Wechsel des Modus.)

Bei Verben, die einer subjektiven Sicht auf die Welt Ausdruck verleihen, wird es im Deutschen dann schwieriger. Im Präsens sind die Verhältnisse noch eindeutig.

Das Verb der mentalen Durchdringung steht im Präsens und verlangt im Präsens auch den Indikativ
Die imaginierte Handlung ist vorzeitig: Ich hoffe, dass er das Auto repariert hat.
Die imaginierte Handlung ist gleichzeitig: Ich hoffe, dass er das Auto repariert.
Die imaginierte Handlung is nachzeitig: Ich hoffe, dass er das Auto reparieren wird.

Steht das einleitende Verb der mentalen Durchdringung aber im Imperfekt und verleiht es einer subjektiven Sicht auf die Welt Ausdruck, wird es komplizierter. Hier haben wir im Sprachgebrauch einen bunten Strauß an Möglichkeiten, die alle tatsächlich realisiert werden.

Das Verb der mentalen Durchdringung steht im Imperfekt und verlangt im Imperfekt den Konjunktiv
1. Möglichkeit. Nirgends dokumentiert, erfreut sich aber großer Beliebtheit. Man nimmt bei Vorzeitigkeit / Gleichzeitigkeit gar keine Anpassung vor.
Die imaginierte Handlung ist vorzeitig: Ich hoffte, dass er das Auto repariert hat.
Die imaginierte Handlung ist gleichzeitig: Ich hoffte, dass er das Auto repariert.
Die imaginierte Handlung is nachzeitig: Ich hoffte, dass er das Auto reparieren würde.
2. Möglichkeit: Man rückt die Zeiten eins nach hinten, bleibt aber im Indikativ. Wäre logisch, wird aber so nicht gemacht. (Logik der romanischen Sprachen)
Die imaginierte Handlung ist vorzeitig:Ich hoffte, dass er das Auto repariert hatte.
Die imaginierte Handlung ist gleichzeitig: Ich hoffte, dass er das Auto reparierte.
Die imaginierte Handlung is nachzeitig: Ich hoffte, dass er das Auto reparieren wird.
3.Möglichkeit: Man baut das um zum Konjunktiv. Dann müssten dieselben Regeln gelten, wie in der indirekten Rede.
Die imaginierte Handlung ist vorzeitig:Ich hoffte, dass er das Auto repariert habe.
Die imaginierte Handlung ist gleichzeitig:Ich hoffte, dass er das Auto repariere.
Die imaginierte Handlung is nachzeitig:Ich hoffte, dass er das Auto reparieren werde.



Wer bei google, Anführungsstrichen nicht vergessen, sonst bekommt man Treffer, die die drei Wörter in beliebiger Reihenfolge zeigen, "Ich hoffe, dass" eingibt, sieht die ganze Pracht der mannigfaltigen Möglichkeiten. Ob das bereichernd ist oder verwirrend, liegt dann im Auge des Betrachters. Wer mit Deutsch als Fremdsprache konfrontiert ist, findet den bunten Strauß an Möglichkeiten eher verwirrend als bereichernd.

Bei der indirekten Rede haben wir sowohl im Präsens wie auch im Imperfekt, zumindest nach den Vorstellungen der Standardgrammatik, den Konjunktiv. Raffiniert wie der Autor nun mal ist, hat er die dritte Person Singular gewählt, die einen eindeutigen Konjunktiv hat, so dass es in diesem Fall perfekt aufgeht.

Hätte er die erste Person Singular gewählt, wäre es komplizierter.

Konjunktiv I: ich repariere => Identisch mit Indikativ Präsens => ich repariere
Da die Formen identisch sind, wird der Konjunktiv II gewählt.

Konjunktiv II: reparierte => identisch mit Imperfekt => ich reparierte.
Da die Formen identisch sind, wird würde + Infinitiv gewählt

Diesen Tatbestand verschweigt der Autor dem Leser aber, so dass dieser den Eindruck hat, dass das System stabil ist.

Indirekte Rede im Präsens: Konjunktiv
Die referierte Handlung ist vorzeitig:Er sagt, dass er das Auto repariert habe.
Die referierte Handlung ist gleichzeitig:Er sagt, dass er das Auto repariere.
Die referierte Handlung ist nachzeitig:Er sagt, dass er das Auto reparieren werde.
Indirekte Rede im Imperfekt: Konjunktiv
Die referierte Handlung ist vorzeitig:Er sagte, dass er das Auto repariert habe.
Die referierte Handlung ist gleichzeitig:Er sagte, dass er das Auto repariere.
Die referierte Handlung ist nachzeitig:Er sagte, dass er das Auto reparieren werde.

Das wäre die Lösung nach der Standardgrammatik. Das heißt, dass das Erzählte immer im gleichen Modus und in der gleichen Zeit steht, unabhängig von der Frage, ob der Erzähler sich in der Gegenwart oder der Vergangenheit befindet.

Deutsch ist im Moment nicht unser Thema, aber das Problem ist deutlich geworden. In Abhängigkeit vom Moment der mentalen Durchdringung bzw. des Sprechzeitpunktes, wobei die indirekte Rede in den romanischen Sprachen kein eigenes System ist, und egal ob das einleitende Verb in der Gegenwart oder Vergangenheit steht, ist die Vorzeitigkeit, Gleichzeitigkeit oder Nachzeitigkeit auszudrücken und dies geschieht im Portugiesischen, im Gegensatz zum Deutschen, anhand eines ausgesprochen stabilen Systems.

Hierbei ist zu unterscheiden, ob das Verb, das die Art der mentalen Durchdringung beschreibt, denken, glauben, hoffen etc. den conjuntivo oder den indicativo verlangt.

Bei der indirekten Rede haben wir in den romanischen Sprachen dieselbe Situation wie bei einem Verb der mentalen Durchdringung, etwa wissen, das den indicativo verlangt.

Die indirekte Rede ist also kein eigenes System.


Das Verb der mentalen Durchdringung, bzw. die indirekte Rede steht in der Gegenwart meist im Präsens, in der Vergangenheit meist im perfeito simples oder imperfeito. Allerdings gehören auch andere Zeiten zu den Gegenwarts-, bzw. Vergangenheitszeiten.

Gegenwartszeiten: presente, futuro, condicional simples*, pretérito perfeito composto**
Vergangenheitszeiten: imperfeito, pretérito perfeito simples, mais-que-perfeito composto


* Umstritten: Beim condicional sind sowohl indicativo und conjuntivo möglich, auch wenn das umstritten ist. Sätze wie "Eu pediria que os senhores tivessem um pouco de paciência", "Ich möchte die Herren bitten, geduldiger zu sein", also conjuntivo nach condicional, sind möglich.
** Theoretisch möglich, dürfte aber im Portugiesischen, im Gegensatz zu anderen romanischen Sprachen, praktisch selten vorkommen, weil die Verwendung dieser Zeit im Portugiesischen von der Verwendung in anderen romanischen Sprachen abweicht. Dass jemand bis in die unmittelbare Gegenwart immer wieder etwas imaginiert ist möglich, aber selten.

In den Tabellen unten steht beispielhaft das Verb der mentalen Durchdringung / indirekten Rede im presente (Gegenwartszeit), bzw. im perfeito simples (Vergangenheitszeit). Das sind, im Portugiesischen, wo der perfeitos composto ja eine andere Funktion hat, als in den anderen romanischen Sprachen, die typischsten Fälle. Am Schema ändert sich aber nichts, wenn man eine Gegenwartszeit durch eine andere, bzw. eine Vergangenheitszeit durch eine andere, ersetzt.

Steht das Verb der mentalen Durchdringung in einer Gegenwartszeit, dann gelten alle in Kapitel 9 genannten Regeln zur Verwendung der Zeiten. Auf die ausführlichen Erklärungen nimmt das Schema unten stichwortartig Bezug. (Die Verlaufsform hatten wir noch nicht, ist aber unkompliziert.)

Anstatt des presente bzw. de pretérito perfeito simples kann man jede x-beliebige Gegenwartszeit oder Vergangenheitszeit einsetzen. Die Übersetzungen ins Deutsche sind nicht präzise, weil es sich nicht präzise übersetzen lässt, bzw. das Deutsche kein einheitliches Schema besitzt. Entscheidend ist, dass man die Logik versteht.

GegenwartszeitVerben der mentalen Durchdringung / indirekte Rede steht in einer Gegenwartszeit und verlangt den Indikativ: dizer, saber etc.
ZeitBeispiel Übersetzung
vorzeitig:
ausfransende Ränder imperfeito Eu sei que não trabalhava. Ich weiß, dass er nicht arbeitete.
abgeschlossene Handlungperfeito simples Eu sei que o fez. Ich weiß, dass er es gemacht hat.
gleichzeitig:
allgemein presente Eu sei que dorme muito. Ich weiß, dass viel er schläft.
Verlaufsformestar + infinitivo / gerundio Eu sei que esta consertando o carro. Ich weiß, dass er dabei ist, das Auto zu reparieren.
nachzeitig:
Handlung in der Zukunft futuro Eu sei que o consertará. Ich weiß, dass er es reparieren wird.
abgeschlossene Handlung in der Zukunft futuro composto Eu sei que o terá consertado. Ich weiß, dass er es repariert haben wird.

Steht das Verb der mentalen Durchdringung in einer Vergangenheitszeit, verlieren die Zeiten teilweise ihre ursprüngliche Bedeutung.

Vergangenheitszeit Verben der mentalen Durchdringung / indirekte Rede steht in einer Vergangenheitszeit und verlangt den Indikativ: dizer, saber etc.
Zeit Beispiel Übersetzung
vorzeitig:
gleichzeitig zur Imaginationimperfeito Eu sabia que não trabalhava. Ich wusste, er arbeitet nicht.
vorzeitig zur Imaginationmais-que-perfeito-simples Eu sabia que o tinha feito. Ich wusste, dass er es gemacht hätte.
gleichzeitig:
gleichzeitig zur Imaginationimperfeito Eu sabia que dormiva. Ich wusste, er schliefe.
Verlaufsform estar + infinitivo / gerundio Eu sabia que estava consertando o carro. Ich wusste, er würde das Auto reparieren.
nachzeitig:
Handlung in der Zukunft aus Sicht der Vergangenheit condicional Eu sabia que o consertaría. Ich wusste, er würde es reparieren.
abgeschlossene Handlung in der Zukunft aus Sicht der Vergangenheit condicional composto Eu sabia que o tería consertado. Ich wusste, er würde es repariert haben.


Hängt der Imperfekt ab von einem Verb der mentalen Durchdringung, verliert er teilweise seinen ursprünglichen semantischen Wert. Wir sehen das deutlich, wenn wir ein Verb nehmen, das von der Natur der Sache her nicht im Imperfekt stehen kann.

Explodar, explodieren, ist keine langandauernde Handlung und auch keine Hintergrundhandlung, in die eine andere Handlung eingebettet sein könnte. ("Sie schlief, während er ein Buch las" geht, aber "Er las ein Buch, während die Bombe explodierte" geht nicht, es sei denn das ganze Buch hatte nur ein einziges und sehr kurzes Wort.)

Gleichzeitigkeit zwischen mentaler Durchdringung / Referierung mit dem Imaginierten / Referierten
Verb der mentalen Durchdringung / indirekte Rede im Präsens: Ele pensa que uma bomba explode.
Er denkt, eine Bombe explodiert.
Verb der mentalen Durchdringung / indirekte Rede im perfeito simples: Ele pensou que uma bomba explodia.
Er dachte, eine Bombe explodiere.


Versetzen wir den Satz "Ele pensa que una bomba explode" in die Vergangenheit, dann wird daraus "Ele pensou que uma bomba explodia" und nicht "Ele pensou que uma bomba explodiu".

Der imperfeito drückt also jetzt vor allem Gleichzeitigkeit aus. Der perfeito simples als Alternative fällt aus, den der beschreibt eine abgeschlossene Handlung in abgeschlossener Vergangenheit. Das ist aber hier gerade nicht gemeint. Gemeint ist nicht, dass er dachte, dass eine Bombe explodiert ist, bevor er es dachte. Gemeint ist, dass sie explodierte, während er es dachte.

Der imperfeito ist unbestimmt, franst an den Rändern aus und kann von daher eher Gleichzeitigkeit ausdrücken und andere Alternativen gibt es nicht. Man sollte aber sehen, dass der imperfeito hier seine Grundbedeutung verliert. Der imperfeito beschreibt normalerweise andauernde Grundhandlungen, was mit dem Satz explodieren schlecht geht. Eine Bombe die ganz gemütlich mal vor sin hin explodiert, wäre unstrittig die intelligentere Erfindung, denn sie wäre dann wirkungslos. Allerdings sind die Dinger so nicht konstruiert.

Ein Funktionswandel macht in diesem Kontext auch der condicional durch, im Deutschen wie im Portugiesischen. Normalerweise drückt der condicional eine Möglichkeit aus, insbesondere in Bedingungssätzen vom Typ II und Typ III. Diese Funktion hat er aber in diesem Kontext nicht mehr. Egal ob das Verb, das die mentale Durchdringung beschreibt den Indikativ oder den Konjunktiv verlangt, ausgedrückt wird in diesem Kontext mit dem Konjunktiv ein Zukunft aus der Sicht der Vergangenheit.

Das Verb der mentalen Durchdringung beschreibt eine Gewissheit: Er wusste, dass die Bombe explodieren würde.
Das Verb der mentalen Durchdringung beschreibt eine Möglichkeit: Er glaubte, dass die Bombe explodieren würde.


In Grammatikbüchern zu romanischen Sprachen finden wir Transformationsregeln. Diese lassen sich leicht ableiten, wenn wir die Sätze aus der ersten Tabelle den Sätzen aus der zweiten Tabelle gegenüberstellen.

Nochmal: Die indirekte Rede ist in den romanischen Sprachen kein separates System, es ist lediglich ein Sonderfall der Zeitenfolge im allgemeinen. (Und eigentlich ist, was das Zeitensystem angeht, die direkte Rede auch im Deutschen kein separates System. Wir haben auch Verben der mentalen Durchdringung, die den Konjunktiv verlangen.)

Statt saber kann der Leser auch dizer (eu digo bzw. eu disse) einsetzen, am Schema ändert sich nichts. Saber verlangt den indicativo.

Vorzeitigkeit
imperfeito bleibt imperfeito
Eu sei que não trabalhava. Eu sabía que não trabalhava.*
pretérito perfeito simples wird zu pretérito mais-que-perfeito composto
Eu sei que o fez. Eu soube que o tinha feito.*
Gleichzeitigkeit
presente wird imperfeito
Eu sei que dorme. Eu soube que dormiva.*
presente von estar wird imperfeito von estar
Eu penso que esta consertando o carro. Eu soube que estava consertando o carro.*
Nachzeitigkeit
futuro I wird condicional simples
Eu sei que o conserterá. Eu soube que o consertaría.*
futuro II wird condicional II
Eu sei que o terá consertado. Eu soube que o tería consertado.*

* saber im perfeito simples heißt erfahren, im imperfeito wissen. "Eu soube que dormiva" heißt also "Ich erfuhr, dass er schläft". Am Schema würde sich nichts ändern, wenn man mit dem imperfeito konstruieren würde, "Eu sabia que dormiva", "Ich wusste, dass der schläft", da sowohl das pretérito perfeito simples wie auch das imperfeito Vergangenheitszeiten sind.

An der grundsätzlichen Problematik ändert sich nichts, wenn das Verb der mentalen Durchdringung den conjuntivo verlangt, also das Imaginierte subjektiv bewertet wird. Die Zeit im conjuntivo hat hierbei dieselbe Funktion, wie die Zeit im indicativo. Der imperfeito do conjuntivo drückt z.B. Gleichzeitigkeit aus, der perfeito composto do subjunctivo Vorzeitigkeit mit Relevanz für die Gegenwart des Sprechers etc. Die Übersetzungen ins Deutsche sind Hilfsübersetzungen, zahlreiche Alternativen sind denkbar. Es gibt im Deutschen kein klares Schema. Verstehen muss man, dass das Portugiesische in allen Konstellationen ein eindeutiges Schema zum Ausdruck der Vorzeitigkeit, Gleichzeitigkeit oder Nachzeitigkeit hat.

Gegenwartszeit Verben der mentalen Durchdringung stehen in einer Gegenwartszeit und verlangen den conjuntivo: esperar, temer, querer etc.
ZeitBeispiel Übersetzung
vorzeitigperfeito composto do conjuntivo Espero que tenham tido êxito. Ich hoffe ihr hattet Erfolg.
gleichzeitigpresente do conjuntivo Espero que tenham êxito. Ich hoffe ihr habt Erfolg.
nachzeitigpresente do do conjuntivo Espero que tenham êxito. Ich hoffe ihr werdet Erfolg haben.


Vergangenheitszeit Verben der mentalen Durchdringung stehen in einer Vergangenheitszeit und verlangen den conjuntivo: esperar, temer, querer etc.
ZeitBeispiel Übersetzung
vorzeitigmais-que-perfeito composto do conjuntivo Esperei que tivessem tido êxito. Ich hoffte ihr hättet Erfolg gehabt.
gleichzeitigimperfeito do conjuntivo Esperei que tivessem êxito. Ich hoffte ihr hättet Erfolg.
nachzeitigimperfeito do conjuntivo Esperei que tivessem êxito. Ich hoffte ihr würdet Erfolg haben.


Wie ersichtlich kann auch im Portugiesischen in einer Situation, die den conjuntivo verlangt, zwischen Gleichzeitigkeit und Nachzeitigkeit durch das Zeitensystem allein nicht unterschieden werden. Im Deutschen gibt es rein formal mehrere Möglichkeiten, beim Konjunktiv die Zukunft aus der Sicht der Vergangenheit auszudrücken. Dahingestellt sei aber, ob Deutsch Muttersprachler zwischen "Ich hoffte, ihr hättet Erfolg" und "Ich hoffte, ihr würdet Erfolg haben" den Zukunftsbezug wahrnehmen.





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